Ausstellung im Druckhaus Waiblingen Mai 2017

Am Sonntag, 21. Mai 2017, fand mit großem Erfolg die Vernissage der Foto-Ausstellung im Druckhaus Waiblingen statt.

 

 

Zur Eröffnung der Ausstellung am 21.Mai 2017 hielt Frau Dr. Ute Schönfeld-Dörrfuß folgenden Vortrag:

 

Marion Röttgen ist eine spätberufene Fotografin. Ihre langwährende Ablehnung gegenüber der Fotografie lag darin begründet, dass sie eine genaue und intensive Schule des Sehens praktizierte und am genauen Hinsehen nicht vom Blick durch die Linse abgelenkt werden wollte. Dabei blieb es nicht und ein Aufenthalt auf einer griechischen Insel verdeutlichte ihr die Verwandtschaft von abstrakter Malerei (die zweifarbigen Abstraktionen des amerik. Malers Marc Rothko) mit Naturerscheinungen. Der Wunsch Himmel und Meer in minimalistisch schlichter Art und Weise festzuhalten, brachte sie auf den Weg zur Fotografie. Seit mittlerweile 10 Jahren widmet sich Marion Röttgen freischaffend der Fotografie und nutzt dabei ihre angelernten Seherfahrungen. Diese sind geradezu Voraussetzung für ihre Art des Vorgehens.

Ganz unspektakulär benutzt Marion Röttgen eine kleine Digitalkamera ohne Stativ. Die der Kamera mitgegebenen technischen Möglichkeiten lässt sie dabei vollkommen außer Acht, denn sie fotografiert bewusst nur mit der Basiseinstellung ihres Apparates. Ihr Credo ist es, das eigene spontane, unmittelbare optische Erlebnis einzufangen und festzuhalten. Eine anschließende digitale Bearbeitung der Aufnahmen schließt sich dabei von selbst aus, weil dadurch ihre eigene Seherfahrung verfremdet und aufgehoben würde. In einer digitalen Nachbearbeitung sieht sie für sich die Gefahr, dass die Fotos eine zu glatte und dekorative Wirkung erhalten und die Farbkontraste eher zu grell geraten. Die Brillanz der Farbe und die Ausgewogenheit des Lichtes sind wichtige und kompositionsbestimmende Faktoren für die Fotografie von Marion Röttgen. Ihre fotografischen Resultate werden ihren künstlerischen Ansprüchen nur gerecht, wenn es ihr gelingt, Ausgewogenheit der Formen und Modellierung der Farben im Bildausschnitt direkt und unmittelbar einzufangen.

Auch zur Motivwahl hat sich die Fotokünstlerin ganz eigene strenge Regeln gesetzt. Mit ihrer Art der betrachtenden Sehweise wird dem kleinen Bildausschnitt aus dem großen Ganzen einige Bedeutung beigemessen. Der Blick fürs Detail, verbunden mit der Spontanität des Auslösens macht eine lange Motivsuche unnötig, wie auch eine gestelzte Konstruktion von Blickachsen Marion Röttgen zu wider läuft. Instinktiv kann sie sich auf ihren geschulten Blick verlassen und mit einem gezielten Schnappschuss zum Ergebnis gelangen. Dabei ist es ihr wichtig, dass der fotografische Charakter ihrer Arbeiten  stets erhalten bleibt.

Eine weitere wichtige Lebenserfahrung steckt in der Motivauswahl. Marion Röttgen ist Mathematikerin und hat deshalb eine Vorliebe für klare geometrische Formen, Symmetrien, Parallelen, sie gewichtet Linien und Flächen im Bildraum, immer in wacher Verbindung zu Licht und Farbe. Oberste Leitlinie bleibt dabei stets die bildliche Reduktion auf einen minimalen ästhetischen Ausblick. Der Reizüberflutung unserer urbanen Welten ist es geschuldet, dass sich die Fotokünstlerin auf die Suche nach schlichten, reduzierten Formen macht, die durchaus etwas Unspektakuläres an sich haben, durch den gewählten Bildausschnitt dann aber eine verblüffende Aussage haben.

Die Ausnahme bestätigt die Regel, denn unten im Eingangsbereich hängt ein Werk aus der Serie der„Collagen“. Es ist über voll, verschiedene Bildwelten sind dicht miteinander verwoben und ihr spontaner Humor spricht aus dem kleinen, in altmeisterlicher Manier eingefügten Selbstbildnis am rechten Bildrand – gehen Sie auf Entdeckungsreise!

Kurios, aber konsequent ist die Weigerung, den Fotos eine genaue Lokalisierung und Datierung zu geben. Für Marion Röttgen spielt es keine Rolle, wo eine Fotografie entstanden ist. Bedeutend allein ist das Motiv, das durch die genannten Kriterien definiert ist und das vor allem das Interesse des Betrachters wecken soll. Sie möchte Fotografien schaffen, die man gern lang anschaut, die nicht immer unbedingt eindeutig sind und sich also noch ihr Bildgeheimnis bewahren. Von Eugene Delacroix ist der schöne Gedanke überliefert, nach dem ein Bild ein Fest für das Auge sein soll und dieses ästhetische Vergnügen wünscht Marion Röttgen ihren Bildbetrachtern gleichfalls.

 

Landschaften am Rande, Wiesenränder, Waldränder, Wegränder, das sind die Räume, die Alexander Riffler mit seiner Plattenkamera samt Stativ sichtbar machen will. Für die heutige Ausstellung hat er sich speziell mit dem Unteren Remstal und dem Schmidener Feld beschäftigt, wobei es ihn durchaus auch in die weite Welt ziehen kann.

Bis der Künstler auf den Auslöser seiner Kamera drückt, vergeht eine lange Vorbereitungszeit, die sich nicht nur auf den Tag der Aufnahme bezieht, sondern Tage und Wochen vorher beginnt. Geduld und Präzision sind notwendige Tugenden, denn mit einer Plattenkamera macht man keine schnellen Schnappschüsse. Riffler fängt in seinen Arbeiten einen sachlich kühlen Blick ein, der auch nicht die Position des Naturschützers wiedergeben will, sondern in einer einfachen aber strengen Kompositionsweise den Spuren des abwesenden Menschen nachspürt und eine gewisse Entschleunigung von der Alltagshektik anstrebt.

Der Aufwand des Fotografierens spiegelt sich in der Ruhe und Erhabenheit der Aufnahmen wieder. Alexander Riffler hat mir gegenüber geäußert, er habe den Bildausschnitt so fest vor seinem inneren Auge, dass er jemand anderen losschicken könne, mit genauer Standortbeschreibung und die Fotografie könne genauso entstehen.

Der Beginn des künstlerischen Prozesses ist die Auswahl eines bedeutenden Landschaftsausschnittes. Für Riffler ist die Bedeutung der landschaftlichen Ordnungsparameter wichtig, sowie eine visuell funktionierende Bildaussage mit hoher ästhetischer Wirkung. Es sind nicht die spektakulären Inszenierungen, die ihn interessieren, vielmehr sind seine Fotografien oft auf die Mitte ausgerichtet mit breit hin gelagerten Wiesen und Feldern und ein enges Farbspektrum kommt in einer perfekten Belichtung um so besser zur Geltung. Die Lichtverhältnisse sind für einen Plein Air Fotografen sowieso ausschlaggebend, denn ist erst einmal der Bildausschnitt festgelegt, so kann noch geraume Zeit vergehen, bis optimale Bedingungen herrschen. Alexander Riffler bevorzugt einen gleichmäßig bedeckten Himmel, sanfte ausgleichende Lichtverhältnisse, die der Landschaft in den Fotografien etwas Skulpturales vermitteln. Die geschlossene Farbgebung im Bild, die harmonische Linienführung der Landschaft werden in ein sanftes Licht getaucht, das die changierenden Farbverläufe der Natur zur Geltung bringen soll.

Für die großen Landschaftsansichten bevorzugt  A. Riffler seine Plattenkamera, das bedeutet, er arbeitet analog. Das weiche Sehen des menschlichen Auges wird in analogen Aufnahmen ähnlicher übernommen. Und wenn er doch die digitale Kamera benutzt, will er so wenig wie möglich bearbeiten.

Seine Verortung und künstlerische Vorbilder sieht der Künstler bei Bernd und Hilla Becher, sowie der New Topographic  School. Die Bechers hatten in ihren berühmten Dokumentationen und Serien Kompositionselemente vorgegeben, wie einen erhöhten Betrachterstandpunkt, absolute Neutralität und Wertfreiheit in der Wiedergabe, Verzicht auf menschliche Wiedergabe. Die New Topographic  School begründete während der 70er Jahre in den USA eine neue Sichtweise auf die Landschaft., die nicht mehr die unberührte Idealvorstellung von Landschaft transportieren sollte. Angestrebt wurde die dokumentarische Sicht auf die durch Gewerbe, Transport und Naturausbeutung geprägte Umwelt. Die Landschaftsfotografie bekam eine zivilisationskritische Konnotation.

 Riffler variiert und komponiert mit eigenen Mitteln und lotet dabei die technischen Möglichkeiten seiner Plattenkamera aus. Mit der Großformattechnik gelingt es ihm etwa die Tiefenschärfe seiner Fotografien zu verändern. Damit kann er nuancierte perspektivische Brüche in den verschiedenen Bildebenen der Aufnahme erreichen. Ein Bildbeispiel für dieses Vorgehen ist das großformatige Werk „Schmidener Feld“: Der Standort der Kamera war erhöht, so dass sich eine Aufsicht auf den Vordergrund ergibt, bei gleichzeitig weiter verlaufender Perspekive bis zum Horizont der Landschaft.

 

 

Es ist erstaunlich, dass nicht das gesamte Treppenhaus des Druckhauses unter einem schweren Duftschleier betörender Blumendüfte liegt und wir Ausstellungsbesucher wie benommen, unserer klaren analytischen Sinne beraubt, der Sucht der morbiden Schönheit erliegen. Anne Schubert, die Stuttgarter Fotokünstlerin, die seit 30 Jahren in der Werbefotografie tätig ist, widmet sich in der Serie „Broken Flowers“ in schwülstiger Opulenz der Vergänglichkeit der Natur und dem ewigen (hoffentlich nie versiegenden) Kreislauf des Werdens und Vergehens.

Betrachtet man die Blumenstilleben von Anne Schubert, kann man sie förmlich riechen. Über den Sehsinn, dem Wahrnehmungsbereich unserer Augen, wird beim Anblick der Fotos unweigerlich der Geruchssinn animiert, ein zweiter physisch getrennter Wahrnehmungsbereich. Diese Koppelung von physisch getrennten Bereichen der Wahrnehmung nennt man Synästhesie. Unter diese gekoppelte Wahrnehmung fallen z.Bsp. auch Farbe und Temperatur,  ein warmes Grün, Ton, Musik und Räumlichkeit. Es ist die Wahrnehmung von Sinnesreizen durch Miterregung der Verarbeitungszentren im Gehirn. Wassily Kandinsky war ein bekannter Synästhetiker, der Formen mit Klängen verband und seine Malerei auch musikalisch auffasste. Die olfaktorische Wirkung der Stilleben von Anne Schubert ist evident und führt den Betrachter um so intensiver in die Bildräume.

Aus den Fotoarbeiten spricht eine deutliche Konstruktion des Bildaufbaus. Nichts scheint dem Zufall überlassen und jede Zutat im Werk ist sehr bewusst ausgewählt und platziert. Einerseits arrangiert die Künstlerin geradezu Wimmelbilder mit einer überbordenden Fülle an Blüten, Blättern, kleinen Insekten oder auch mal Vanitasmotiven wie dem Minitotenschädel. Farblich aufeinander abgestimmte Blumen in unterschiedlich verwelkten Zuständen sind zu einem dichten Bildteppich verwoben, der scheinbar nur einen kleinen Ausschnitt aus einem viel größeren Ganzen zeigt. Ein Horror Vacui blendet den Untergrund aus. Auf anderen Fotografien schiebt sich ein schmaler Horizont in tiefer schwarzer Unendlichkeit an den oberen Bildrand, was den flächigen Charakter aufhebt zugunsten einer räumlichen Illusion.

Die Arrangements der Blumenbouquets, die wir hier an den Wänden in vertikaler Ausrichtung wahrnehmen, verraten bei genauer und ausdauernder Betrachtung ihre liegende Entstehung. Die Schwerkraft ermöglicht diese dichte und verwobene Enge der Bildelemente, die Anne Schubert in stundenlanger Drapierung entstehen lässt, bis sie kein Ungleichgewicht mehr spürt. In der liegenden Ausrichtung gilt nur das Nebeneinander, das Übereinander existiert nicht. Trotzdem gelingt es Anne Schubert, die Illusion der aufrecht stehenden, zum Bouquet arrangierten Blumensträuße herzuleiten. Von Zauberhand gehalten, ganz ohne Blumenvase, brillieren die Sträuße vor der schwarzen Unendlichkeit. Die Ausleuchtung mit flachem Licht von links und rechts unterstützt die räumliche Illusion und unterstützt die hyperrealistische Schärfe der Fotografien.

In der ersten Etage hängt ein großes dreiteiliges Werk, ein Riesenstrauß sozusagen, der vorgibt, sich über 3 Bildfelder zu erstrecken. Schaut man genauer hin und verfolgt die Übergänge von einer Tafel zur nächsten, so entdeckt man die Wiederholungen. Die obere und die untere Fotografie sind ein optisches Echo zur Mitte hin, so dass das reale Blumenarrangement auf dem Ateliertisch wesentlich geringere Ausmaße hatte. Die Illusion von Größe ist mittels der Fotografie leicht zu erreichen.

Im Treppenhaus hängen noch weitere Werke aus einer Serie, in der Anne Schubert Blumensträuße mit Staffage vor Blumentapeten fotografiert hat. Die Irritation ist perfekt und bewusst gewollt. Welche Blumen gehören zu welcher Wirklichkeit, was ist fotografierter Bildgegenstand und was gehört zum ausstaffierten Hintergrund? Anne Schubert hebt ganz bewusst die räumlichen Grenzen in ihren Werken auf, wodurch der Bildbetrachter zu einem umso intensiveren Betrachten animiert wird.